Transkript der Rede bei der Kundgebung „Widerstand gegen Faschismus und Rassismus“

Diese Rede wurde am 1. August 2020 am Alten Markt in Salzburg vorgetragen.

Hallo erstmal. Mein Name ist Georg Pidner, ich bin 20, studiere aktuell Politikwissenschaft und Soziologie an der Uni Salzburg und bin vielfältig politisch aktiv. Am Ende meiner Rede werde ich noch kurz darauf eingehen, was ich genau mache und wieso. Ich bin hier als Antifaschist und als rassistisch und patriarchal sozialisierter weißer Cis-Mann, der den Anspruch erhebt, feministisch und antirassistisch zu sein.

Ich danke allen, die heute, trotz dieser Hitze, gekommen sind und sich mit ihrer Anwesenheit gegen Faschismus und Rassismus aussprechen. An alle anwesenden Faschos: Verpisst euch.

Allein mit dieser Kundgebung sehen wir, dass wir mehr sind. Vielleicht nicht in totalen Zahlen, aber im Augenblick können wir mehr Menschen auf die Straße holen und hoffentlich auch irgendwann mal breiten, gesellschaftlichen Widerstand organisieren.

Ich setze große Hoffnungen in diese Generation politischer Aktivist*innen.

Aber jetzt zum Grund, warum wir uns hier versammelt haben. Faschos sind wieder in der Stadt. Mit „wieder“ meine ich, dass sie mal wieder aus ganz Österreich anreisen und versuchen, öffentlichen Raum einzunehmen. Sie wollen ihre Hetze verbreiten und machen das scheinbar jedes Jahr nur einmal – nur einmal nicht online.

Zwischen diesen erbärmlichen Infoständen sind sie trotzdem nicht völlig inaktiv. So haben sie letztes Jahr beim Earth Strike von Fridays for Future Aktivist*innen angepöbelt und geschubst. Als sie rechtmäßig von der Demo vertrieben wurden, weil ihr Ökorassismus und ihr gewaltvolles Handeln nicht geduldet wurden, haben sie die Geschichte umgedeutet und wollten mediale Aufmerksamkeit generieren. Was für ein erbärmlicher Versuch.

Danach hat sich bei einem Plenum von Fridays for Future mal eine Bande junger Faschisten eingeschlichen. Sie versammeln sich in der Organisation mit dem Namen „Kontra Kultur“ und haben dann, bei der ersten Black Lives Matter Solidaritätsdemo Anfang Juni, ein Banner der Identitären gezeigt. Das hat kaum wer bemerkt. Was für eine erbärmliche Aktion.

Bei der zweiten Black Lives Matter Demo waren die lokalen Faschos schon aggressiver unterwegs. Sie haben Aktivist*innen fotografiert und beleidigt. Im Nachhinein wurde im Internet getrollt. Was für ein erbärmlicher und verzweifelter Haufen.

Diese Informationen führen zu zwei Schlussfolgerungen:

Erstens: Sie können nur auf unsere Aktionen reagieren und scheinbar so gut wie keine eigenen auf die Beine stellen – sie befinden sich permanent gegen unseren Aktivismus in der Defensive. Diese Gegenkundgebung ist das erste Mal, dass wir uns auf sie beziehen.
Der Vergleich macht sicher: Wir haben mehr Energie, mehr Aktivist*innen und eine größere Anziehungskraft.

Die zweite Erkenntnis ist, dass Kontra Kultur eindeutig ein Teil der Identitären Bewegung ist. Das zeigt der erwähnte Bannerwurf, ihr Internetauftritt und auch die politischen Akteur*innen. Außerdem sind „Die Österreicher“ ebenfalls und ohne Zweifel identitär.

Jetzt kurz zu der Identitären Bewegung: Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands nennt sie: „eine rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil.“ Zitat Ende. Außerdem beziehen sie sich positiv auf faschistische Denker*innen und faschistische Bewegungen.[i]

Es muss uns bewusst sein, dass ihre Aktivitäten, wie jämmerlich sie auch sein mögen, nicht folgenlos bleiben. Ihre Ideologie können sie, trotz geringer Breitenwirkung, trotzdem an gefährliche, gewaltbereite Personen weitergeben.

Im März 2019 rannte in Neuseeland ein rechtsextremer Terrorist in zwei Moscheen und tötete 51 Menschen. In seinem Manifest bezog er sich auf den „Großen Austausch“, über den auch die Faschobande dort hinten schwafelt.

Dass diese Anschläge, mit genau dieser Legitimation, sich wiederholen, können wir nicht ausschließen. Aber wir können versuchen, sie zu verhindern, indem wir verhindern, dass ihre Erzählungen verbreitet werden. Das schaffen wir nur, wenn wir uns organisieren. Später sage ich noch mehr dazu.

Einige von euch fragen sich vermutlich: Was bedeutet eigentlich „Faschismus“? Ich habe dazu schonmal in der Uni referiert und möchte ein wenig aufklären.

Faschismus ist eine Ideologie. Aber wir können sie oft nicht eindeutig erkennen, denn der Begriff ist – nach dem berühmten bürgerlichen Soziologen Max Weber – ein Idealtypus. Das bedeutet, dass es ein breites Spektrum an Botschaften, in unterschiedlicher Intensität, gibt, die als faschistisch bezeichnet werden können. Faschismus kann uns auch im Alltag begegnen – ohne, dass wir es vielleicht sofort realisieren. Wenn zum Beispiel eine vermeintliche Klimabewegung das Corona-Virus als Heilung für den Planeten bezeichnet, kann das als ökofaschistisch bezeichnet werden. Denn eine Kritik an den Macht- und Herrschaftsverhältnissen, die unseren Planeten tatsächlich zerstören, werden damit ausgeblendet und die Schuld wird an ~die Einheit Mensch~ gegeben. Obwohl die Konzerne und Regierungen unser Klima zerstören – in einem Wirtschaftssystem, das auf Wachstum und Profit ausgerichtet ist. Später mehr dazu.

Was nun diese Ideologie konkret ausmacht:

Aus einer historischen Betrachtung kann mensch sagen, dass der Faschismus ein Mechanismus ist, um die kapitalistische Produktionsweise aufrecht zu erhalten. Denn sehr oft in der Geschichte, wenn eine soziale Revolution bevorstand, kam der Faschismus ins Spiel und versuchte sie zu zerschlagen. Hinter dem Faschismus steckt das Kapital.

Der Faschismus ist die „bürgerlich-kapitalistische Gegenrevolution“ Arthus Rosenberg (Historiker), Der Faschismus als Massenbewegung, 1934, Seite 4. Faschismus ist patriarchal und stets „militant gegen Abweichungen von herrschenden Normen“. Jutta Ditfurth (Soziologin), Entspannt in die Barbarei Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus, 1996, Seite 26

Ich möchte jetzt noch kurz einige Gedanken dazu äußern, wieso der Faschismus im 21. Jahrhundert bestehen konnte und in den letzten Jahren wieder bedeutsamer wurde. Das liegt nicht ausschließlich an der gescheiterten Entnazifizierung Österreichs. Wenn wir über Faschismus reden, müssen wir uns unsere Gesellschaft näher anschauen und sie radikal hinterfragen. Ohne diesen Vorgang können wir ihn nicht nachhaltig bekämpfen.

Max Horkheimer, ein berühmter Sozialphilosoph der Frankfurter Schule, hat einmal gesagt: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“

Denn: Von nichts kommt nichts. In einer Welt, in der wenige so gut wie alles besitzen, der Rest permanent gegeneinander ausgespielt wird und konkurrieren muss, in der Wirtschaftskrisen vorprogrammiert sind und sich immer wiederholen, hat diese Ideologie ein leichtes Spiel.

Für einzelne ist es immer einfacher, nach unten zu treten, auf weniger mächtige Menschen – als nach oben.

Der Kapitalismus stürzt immer wieder in Krisen – so wie jetzt, nur dass die jetzige Weltwirtschaftskrise von der Gesundheitskrise überschattet wird. In diesen Krisen wird massiv von unten nach oben umverteilt und viele Menschen leiden noch stärker unter den Verhältnissen. Das befördert den Aufstieg der Faschist*innen.

Statt eine solidarische und ökologische Gesellschaft zu etablieren, wird mit dem Faschismus das bestehende beschützt und noch autoritärer durchgesetzt.

Nun stellt sich die Frage, was wir tun können:

Der Kommunist Antonio Gramsci, der sein ganzes Leben lang gegen den italienischen Faschismus gekämpft hat, schrieb einmal folgendes auf die Titelseite seiner Zeitung:

„Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure ganze Begeisterung. Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft.“

Um den Faschismus und auch den Rassismus wirklich zu bekämpfen, müssen wir solidarische Verbindungen herstellen. Wir müssen uns organisieren. Wir müssen uns kollektiv weiterbilden. Bewegungen wie Antira und Fridays for Future bieten den Rahmen, um Menschen, die sich als antisexistisch, antirassistisch und antifaschistisch verstehen, eine basisdemokratische Organisierung zu ermöglichen.

Ich bin in mehreren sozialen Bewegungen politisch aktiv. Zum Beispiel eben Fridays for Future und Antira Salzburg. Nebenbei bin ich auch Landesgeschäftsführer der Grünen Jugend Salzburg und meine parteipolitische Herkunft ist eine grüne. Das war nie ein Geheimnis und ich habe kein Problem damit, das offen zu sagen. Wer mich kennt und schon mal mit mir politisch gearbeitet hat, weiß, dass ich die Trennung dieser Kreise gewissenhaft vollziehe. Mein Fokus liegt auf der außerparlamentarischen Arbeit, weil ich wenig Vertrauen darauf habe, dass die bestehenden Institutionen die Probleme dieser Welt wirklich lösen werden. Nur Bewegungen können die Gesellschaft tatsächlich ändern. Dafür braucht es eine Massenmobilisierung und eine Zuspitzung.

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass Kämpfe verbunden gehören und wir Synergien für eine befreite Gesellschaft nutzen sollten.

Ich bitte euch daher: Bleibt aktiv, bringt euch in soziale Bewegungen ein, macht euch Gedanken über unsere Gesellschaft und ihre Widersprüche.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

Kein Fußbreit dem Faschismus! Fight racism!


[i] Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/identitaere-bewegung-oesterreich-iboe (zuletzt aufgerufen am 31. Juli 2020)

Veröffentlicht von gpidner

Aktivist und Student

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