26. Oktober 2020, Lesedauer: 1 1/2 Minuten
Wer »Heimat« sagt, negiert die in Klassen fragmentierte Gesellschaft. Wer »Heimat« sagt, meint, wir müssen alle zusammenhalten und sollen bitteschön nicht hässliche Verhältnisse ökonomischer und kultureller Art aufeinanderprallen lassen zum Zwecke ihrer Überwindung.
Thomas Ebermann, 2019
Heute ist der österreichische Nationalfeiertag. Heute wird der Abzug der Alliierten – der Befreier*innen vom Nationalsozialismus – gefeiert. Nicht die Befreiung 1945 wird gefeiert, sondern die Wiedererlangung der vollkommenen staatlichen Unabhängigkeit. Das allein sagt schon vieles über dieses Land aus.
In vielen Tweets nutzt Rudi Anschober (Gesundheitsminister) den Hashtag #gemeinsamschaffenwirdas. Wer ist das Wir?
In diesem Wir befinden sich einerseits Menschen wie der KTM-Chef und ÖVP-Großspender Stefan Pierer, der, trotz der Kurzarbeit vieler Arbeiter*innen, die enormen Unternehmensgewinne in Form von Dividenden ausschütten wollte. Er ist davon nach lautstarker Kritik abgerückt und hat bekannt gegeben, mit dem Geld die Händler*innen zu unterstützen. Also seine Geschäfte damit indirekt abzusichern. Der Lohn wird verringert und von der Allgemeinheit übernommen.
Gleichzeitig aber sollen sich in diesem Wir auch viele andere wiederfinden, die weitaus weniger besitzen als Pierer, aber im Gegensatz zu ihm gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigen. Etwa die Menschen in Pflegeberufen, die keine nennenswerte Gehaltserhöhung bekommen, weil sie von ihren Gewerkschaften hintergangen wurden – zum Wohle Österreichs auf Widerstand verzichtet haben.
In dem Wir – in Österreich – wird also etwas verallgemeinert, was nicht dieselben Interessen trägt. Das nicht in der gleichen Lage ist und das als ein Ganzes nur deshalb existiert, weil es kein Bewusstsein über die Widersprüche und daraus resultierende Konsequenzen gibt.
Das Zitat ist aus einem Neues Deutschland Interview vom 6. April 2019.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116200.thomas-ebermann-die-sturmriemen-um-den-stahlhelm-werden-enger.html
Zuletzt abgerufen am 26.10.2020
Der üble Vorwand namens Österreich
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